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Heute ist der International Day for Privacy 2013 und ich bin gerade von der Demonstration in Düsseldorf wiedergekommen. Mit ca. 60 Menschen ein für Düsseldorf recht kleiner Aufzug, der aber gut gelaunt losgezogen ist.

Worum es mir und den anderen so geht, habe ich mit zwei Redebeiträgen beschrieben, die ich euch hier zum Nachlesen zur Verfügung stelle.

Teil 1 habe ich vor dem Losgehen vorgetragen, Teil 2 am Ende vor dem Landtag.

Gerne könnt ihr eure Gedanken dazu ins Kommentarfeld werfen.

Teil 1

Liebe Netzgemeinde,

wir haben uns heute hier versammelt, um die neuesten Entwicklungen aus der politischen Sphäre anzuprangern, die sich an eine Reihe von – mehr oder weniger durchgesetzten – Fragwürdigkeiten anknüpft. Wir kämen gar nicht mehr von der Straße runter, wenn wir bei jeder “In-no-va-tion” demonstrieren würden.

Am heutigen internationalen Aktionstag für die Privatsphäre tun wir dies dennoch, denn es geht uns heute nicht nur über fehlgeleitete Ansätze wie die Vorratsdatenspeicherung, Zensur und Überwachung privater Räume.

Es geht uns um die computergestützte Überwachung des urbanen Raums und der automatischen Erkennung und Verfolgung der Menschen mithilfe von Daten aus den Sozialen Netzwerken.

Das gibt es derzeit ein Vorhaben, das alleine 15 Millionen Euro kostet und bereits seit 2009 zur Finanzierung von Think Tanks und entsprechenden Projekten an Universitäten herangezogen wird: INDECT. Weitere Vorhaben folgen auf dem Fuß, etliche Millionen Euro werden für Überwachungstechnologie ausgegeben.

Überwachung öffentlicher Räume und Profilerstellung aus Sozialen Netzwerken sollen hier zu einem Apparat verbunden werden, der von Staaten und Konzernen in Europa und weltweit zur “Be-kämpf-ung” von Kriminalität und Terrorismus aufgebaut wird. Das geht soweit, dass die Menschen auf der Straße per Video komplett überwacht werden und ihr Verhalten stetig von Computern analysiert wird. Jedes ungewöhnliche Verhalten soll erkannt und die betreffende Person automatisch per Abgleich verfügbarer Fotos aus Sozialen Netzen identifiziert werden und weiter verfolgt.

Ungewöhnliches Verhalten bedeutet für dieses System unter anderem:

  • schnelles Laufen
  • sich in Gruppen zusammenfinden
  • Gestik und Mimik, die auf Bedrohung schließen lässt
  • lange Aufenthalte und Sitzen auf dem Boden

Es geht wieder um sogenannte Störer oder Gefährder, die durch ihr Verhalten auf der Straße identifiziert werden. Am Ergebnis massiver Videoüberwachung zum Beispiel in England zeigt sich, dass diese Systeme keine Kriminalität verhindern, nur verlagern und Terrorismus, so selten wie Anschläge ohnehin bereits sind, sich davon nicht beeindrucken lässt.

Nun scheinen die Politiker zu glauben, dass durch den Einsatz von Rechenzentren – anstatt dem Beamten mit dem Kaffeepott vor dem Videoschirm – der erhoffte Effekt endlich eintritt.

Das glauben wir nicht.

Wir glauben, dass durch respektvolles Kommunizieren und solidarisches Handeln die Straßen sicherer werden. Wir glauben, dass die Menschen aufeinander zu gehen sollten, auch über das Internet und dass das Bildungssystem diese Fähigkeit fördern muss.

So gehen wir heute gemeinsam auf die Straße, kommunizieren offen untereinander und zur gesamten Gesellschaft. Wir brauchen kein autoritäres Auge, dass uns ständig überwacht und ein Gewaltsystem, dass diejenigen Menschen verfolgt, die diese oberflächlichen Harmonie durch ihre unangepasstheit gefährden.

Big Brother folgt uns, nicht nur auf Twitter.

Teil 2

Die Unschuldsvermutung wird unter der Angst vor Terror fallengelassen; es sei nicht mehr davon auszugehen, dass freiwillig preisgegebene Informationen ausreichend sind. Es werden alle Informationen, die (ohne Hausdurchsuchung) zugänglich sind, zusammengetragen und ein zweifelhaft objektives Bild des Individuums geschaffen. Dies bedeutet einen massiven Angriff auf die Privatsphäre.

Die Privatsphäre ist für uns nicht einfach das Treiben der Menschen in ihren eigenen vier Wänden, hinter zugezogenen Vorhängen. Die Privatsphäre ist die Fähigkeit der Menschen, sich abzugrenzen, indem sie nur bestimmte Informationen über sich preisgeben.

Es muss nicht in jedem Zusammenhang alles über mich bekannt sein. Ich möchte teilhaben können, ohne vollständig angepasst zu sein. Meine Verschiedenheit sollte respektiert werden, aber ich möchte das Kollektiv auch nicht überfordern. Durch Verschiedenheit entstehen Konflikte. Und das ist nicht grundsätzlich problematisch.

Konflikte sollen sichtbar gemacht und gelöst werden. Dies halten wir für die Grundlage des friedlichen Zusammenlebens. Durch die Bedrohung dieser Fähigkeit durch Überwachung und der Angst vor Verfolgung bei jeder marginal unangepassten Verhaltensweise wird diese Fähigkeit unterdrückt und die Kultur der Konfliktlösung verschwindet.

Sich ausprobieren, sich preisgeben, sich entwickeln: Dies sind zentrale Aspekte der menschlichen Existenz, die eine freiheitliche Gesellschaft anerkennen muss. Wir haben nichts dagegen, dass Menschen etwas über sich auf Facebook reinstellen. Aber wir fordern, dass sie selbst darüber entscheiden, um was es sich da gerade handelt.

Wir denken, dass sehr wohl Regelungen und Verordnungen zur Verarbeitung der Daten durch Behörden und Firmen existieren sollten. Für den Schutz des Individuums halten wir jedoch nur Verschlüsselung und andere Methoden der Krypthographie für wirksam. Den Menschen muss ein Recht zur Nutzung und Verbreitung dieser Technologie anerkannt werden. Sonst ist die Grundordnung dieser Gesellschaft weder demokratisch, noch freiheitlich.

Man bekommt das Gefühl, dass der Bildungsauftrag, den gerade CCC als e.V. auch ausübt, überbeansprucht wird. Während Vertreter von Polizeigewerkschaften Vorratsdatenspeicherung auch als Vorderraddatenspeicherung fordern, setzt der CCC auf Bildung, unverschlüsselte WLAN und eigene Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung. Informationelle Selbstbestimmung ist das Teilen aber auch die Verantwortung, selber für Verschlüsselung Sorge zu tragen.

Den Menschen wird es quasi verboten, unverschlüsselte WLANs zu betreiben. Und wenn sie darüber verschlüsselte E-Mails verschicken, geraten sie unter Generalverdacht. An so einem Beispiel wird ersichtlich, dass Kryptographie mit ungleichem Maß bewertet wird.

Worum es anscheinend geht, ist ausschließlich die Verfolgbarkeit der Menschen in ihrer Kommunikation und in ihrem gesellschaftlichen Wirken. Das führt zu einem System, dass die Menschen an sich anpasst.

Das lassen wir uns nicht bieten. Wir fordern ein System, dass sich an die Menschen anpasst. Dazu möchten wir Technik nutzen: für offenes Kommunizieren, für die Vebreitung von Wissen und demokratisches Entscheiden. Und das müssen wir am Ende uns auch noch erkämpfen.

Erkämpfen, was heißt das für uns?

Liebe Netzgemeinde,

öffnet tausend Blogs, startet tausend Projekte, beteiligt euch an freier Kultur, kritischer Wissenschaft und helft euch gegenseitig mit eurem Wissen und eurer Erfahrung. Auf das uns dies niemals weggenommen werden kann.

Dankeschön!

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